Schwäbische Zeitung – Bericht vom 14.01.2014

Sympathie- und Hoffnungsträger in der deutschen leichtathletik: Kugelstoßer David Storl genoss seinen Auftritt in Gammertingen. (Foto: Thomas Warnack)

Ein Eisbecher steht am Anfang

Von Marc Dittmann

Gammertingen Uwe Mühlbauer saß da und strahlte wie das berühmte Honigkuchenpferd. Es war ihm bewusst: Mit dem Reifen-Göggel-Cup, dem Indoor-Meeting für die deutsche Elite des Kugelstoßens war ihm und seiner Leichtathletikabteilung des TSV Gammertingen sprichwörtlich der ganz große Wurf gelungen. Über 500, ja fast 600 Zuschauer in der Alb-Lauchert-Halle, tolle Stimmung und Spitzensport auf Klasseniveau. „Ich bin zwei Meter gewachsen“, sagte Mühlbauer und nahm Gruß und Glückwunsch von Bundestrainer Sven Lang entgegen, der beherzt in ein belegtes Brötchen biss.

„Angefangen hat alles bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin. Das war meine letzte Großveranstaltung als Kampfrichter. Damals habe ich David Storl kennengelernt. Der war damals gerade mal 19 Jahre alt und beim Wettkampf so nervös, dass er zu mir gesagt hat: „Mensch, ich weiß gar nicht, was ich machen soll und muss und warum ich hier bin“, erinnerte sich Mühlbauer und lachte laut auf. Irgendwie schaukelte Storl damals das Schiff und nur zwei Jahre später hieß es: Ein Star ist geboren, Weltmeister in Daegu. Und auch in Mühlbauer reiften Pläne, seine neu gewonnene Bekanntschaft zu nutzen, auch um den attraktiven Sport der Kugelstoßer populärer zu machen. Die ersten Meetings, die Mühlbauer in den vergangenen Jahren in Gammertingen ausrichtete, waren eher regionaler Natur und gaben vor allem den Sportlern aus der Region, beispielsweise Markus Reichle, der seine Wurzeln in Krauchenwies hat, die Chance, sich im Rahmen eines Meetings zu messen. Schon bei einer der ersten Austragungen stattete auch Marco Schmidt 2012 dem Meeting einen Besuch ab, musste aber aus Verletzungsgründen passen. Damals siegte Tobias Dahm, nach dem Rücktritt von Ralf Bartels dritte Kraft im deutschen Kugelstoßen.

Die Verbindung zu den Spitzenathleten wuchs. Im vergangenen Jahr schließlich, vor den Meeting in Biberach, saß Mühlbauer in einer Eisdiele in der Innenstadt, als zufällig David Storls Managerin Kerstin Pohlers und Minuten später Storl selbst um die Ecke bogen. „Wir haben uns eine Zeitlang unterhalten, ich habe ihm bei einem Eis die Idee des Meetings vorgeschlagen und er war sofort begeistert“, erinnert sich Mühlbauer. Auch weil es nicht viele derartige Veranstaltungen gibt. Die Pläne wurden mit der Zeit konkreter, Mühlbauer machte Nägel mit Köpfen und setzte den Plan in die Tat um. Am Ende sagte die komplette deutsche Elite zu: Storl, Schmidt, Dahm, bei den Frauen Christina Schwanitz und Lena Urbaniak, dazu Bundestrainer Sven Lang und Ralf Bartels, Kugelstoßer im Ruhestand.

Quali-Weite als Minimalweite

Und auch Sven Lang lobt die Veranstaltung, man brauche solche Meetings, um den interessanten Sport Kugelstoßen weiter voranzubringen. Und man habe auch die Typen dafür. „Nach dem Desaster bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking hat sich die Leichtathletik wieder gefangen. Ich denke schon, dass wir wahrgenommen werden, auch außerhalb von Weltmeisterschaft und Olympischen Spielen.“ Das derzeit beste Pferd hat er mit David Storl selbst im Stall. Und das „Pferd“ hat mit 23 Jahren noch sehr viel Zukunft vor sich.

„Heute schätze ich die Leistung von Christina fast höher ein, eine Quali-Weite für die Hallen-WM von 20,30 Meter müssen unsere beiden Spitzenleute immer drin haben“, sagte Lang zur Leistung in Gammertingen. Er sorgt auch dafür, dass sein Spitzenmann auf dem Boden bleibt. „Aber bei David muss ich dafür nicht viel tun, der ist sehr bodenständig und ich denke, er kommt sympathisch rüber“, sagt Lang über Storl, der im Winter sieben Kilo abgespeckt hat — auf 121 Kilogramm.

Richtig sympathisch kam auch Ralf Bartels rüber. Der 35 Jahre alte Sportsoldat hat im vergangenen Jahr seine Karriere beendet. Nun wurde der achtfache Medaillengewinner – Europameister 2006 und zweimal WM-Dritter – im Rahmen der Gala verabschiedet. „Ein tolles Meeting hier, aber Wehmut empfinde ich eigentlich keine. Die A-Lizenz habe ich ja schon und jetzt bin ich an der Sporthochschule Köln eingeschrieben, um in den nächsten drei Jahren mein Trainerdiplom zu machen. Und vielleicht komme ich ja in den nächsten Jahren selbst mit einigen jungen Talenten hierher.“

Denn das Meeting soll in jedem Fall fortbestehen. „Ja, wir sind mit Sven Lang in Gesprächen, dass wir die Hallenmeetings in Deutschland zu einer Pokalserie zusammenfassen könnten“, bestätigte Uwe Mühlbauer. „Das würde einiges erleichtern, denn dann bekämen wir die Kaderathleten in jedem Fall.“ Und bei einer Serie bekomme man vielleicht bei Sponsoren leichter den Fuß in die Tür, so Mühlbauer weiter. Die Kontakte, ein wesentlicher Teil dieser Serie zu werden, hat er. Auch zum dritten deutschen Spitzenathleten, Marco Schmidt. Vereinzelt begleitete Schmidt schon Trainingslager in Gammertingen. Wie gerne Schmidt und die anderen nach Gammertingen kommen, zeigte am Sonntagabend auch die Abschiedszene. Der 1,98-Meter-Hüne Schmidt umarmte Mühlbauer herzlich, drückte ihn und bedankte sich „noch einmal für alles“. Uwe Mühlbauer lachte.